Kapitel 2 - Erinnerung

(es wird empfohlen, die Houseki no Kuni Ost - Main Theme anzuhören beim Lesen!)
 
 
"Hallo Shinda, ich bin wieder da."
 
 
Ich kniete mich neben das Grab, und lauschte sanft den Worten meines Enkels. Es sind nun bereits 32 Jahre her, seitdem Shinda tot ist. Ganze 32 Jahre, seit dem ich alleine bin. Ich habe zwar meinen mich liebenden Ehemann, meine Kinder und Enkel, jedoch fehlt trotzdem ein Stück in mir, seitdem sie tot ist. Mein Herz wurde wieder schwer bei dem Gedanken, ohne sie zu sein.
 
Als mein Enkel fertig war, verabschiedeten wir uns, und machten uns auf dem Heimweg. Akeno, mein Enkel, fragte wieder nach einer neuen Geschichte von seiner verstorbenen Oma. Leider kannte Akeno Shinda nicht, er wurde 10 Jahre nach ihrem Tod geboren. Also bat ich ihn, eine Bank für uns beide zu suchen, sodass wir uns setzen können, und ich suchte mir meine liebste Geschichte heraus, die ich ihm erzählen konnte.
 
 
 
 
 
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Shinda und ich gingen auf eine spezielle Schule für Menschen mit optischen Beeinträchtigungen. Doch das störte uns nicht. Die Mitschüler waren sehr nett zu uns, und auch die Lehrer. Jeden Tag nach der Schule gingen Shinda und ich zum nahegelegenen Fluss und fütterten die Fische dort mit einem weichen Laib Brot. Erst, wenn dieser komplett im Wasser (und in unseren Mägen) war, gingen wir heim. So machten wir es Tag für Tag, bei jedem Wetter. Es waren nur Shinda und ich, keiner störte uns dabei.
 
Eines Tages, als wir ganz normal die Fische fütterten, kam eine Gruppe von Kindern vorbei, und begannen schlimme Sachen über Shinda und vor allem mich zu sagen. Shinda riet mir erst, sie zu ignorieren. Doch das Gehänsel hörte nicht auf. All diese Sachen, die sie mir an den Kopf warfen, taten weh. Worte können mehr Schmerzen als Taten. Und das schienen diese Kinder zu wissen. Dennoch reagierte ich nicht. Plötzlich zog es mir an den Haaren, und ich ließ einen Schrei raus. Die Kinder zogen an meinen Haaren, und es tat so weh. Shinda fing dann an, das Kind wegzuzerren, und schrie sie an "Was fällt euch ein! Verzieht euch, ihr kleinen Hosenpisser!!!" Das Gezerre hörte auf, aber es tat weh. Ich taumelte, hielt mich am Geländer, und sackte zusammen auf meine Knie, und begann zu weinen, als plötzlich eine laute Männerstimme ertönte.
"Hey, lasst die Mädchen gefälligst in Ruhe! Legt euch mit Leuten an, die sich zumindest wehren können!" Eilige Schritte, und die Gruppe rannte weg. Ich spürte, wie Shindas Arme sich um mich legten, auch sie weinte. Warum musste uns sowas passieren? Waren wir so anders? Der Mann, welcher uns half, sprach uns an. "Es tut mir leid, was diese Jungen da eben getan haben. Sie sind einfach nur dumm, und wurden von ihren Eltern nicht richtig erzogen.. Hört Mal, mir gehört der Laden gleich um die Ecke, kann ich euch zu einem Eis einladen, um euch aufzumuntern?"
Shinda starrte diesen Mann argwöhnisch an. "Unsere Eltern verbieten es uns, mit Fremden zu reden, geschweige denn, mit diesen mitzugehen!" Der Mann war peinlich berührt "Haha, ja. Da haben eure Eltern recht. Ich möchte euch aber nichts böses tun. Der Laden ist gleich da drüben, schau" Er zeigte in eine Richtung, und Shinda hob ihren Kopf. Dann flüsterte sie mir zu "Sollen wir mit ihm mit? Falls er uns etwas tun möchte, schreien wir einfach gaaaaanz laut!" Ich nickte, und Shinda half mir wieder auf die Beine und nahm meine Hand.
 
"Okay, wir kommen mit. Aber sollten Sie etwas tun, was wir nicht wollen, dann müssen Sie mit den Konsequenzen leben!" Der Mann lachte "Keine Sorge, meine Frau und mein Sohn sind derzeit auch im Geschäft, sie werden mich gut beobachten!"
Also folgten wir dem Mann, welcher uns in seinen Laden führte. Dort wurden wir von einer freundlichen Frauenstimme begrüßt. Der Mann erklärte ihr kurz die Situation, woraufhin sich die Frau bei uns vorstellte, und uns zum Eis führte. Shinda suchte mir eines heraus, und wir setzten uns vor den Laden, um dieses gemütlich zu essen. Dies war einer der schönsten Tage in meinem Leben.